Kein Sättigungsgefühl – Trotz üppiger Mahlzeit immer noch Hunger
Hast Du manchmal das Gefühl, Du könntest endlos weiter essen, ohne eine gewisse Sättigung zu verspüren? Die Ursachen hierfür können krankheitsbedingt sein oder an einer ungesunden Lebensweise liegen. Wir klären auf und helfen Dir, Dein Sättigungsgefühl zurückzubekommen.
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Die Metapher "essen wie ein Scheunendrescher" trifft auf Menschen, die kein Sättigungsgefühl empfinden, sicherlich zu. Da ihr Körper ihnen ein endloses Hungergefühl vorgaukelt, futtern sie manchmal wortwörtlich ohne Ende oder sind ständig am Snacken oder Naschen. Satt sein? Fehlanzeige. Für die persönlichen Ernährungsgewohnheiten ist das meist alles andere als gesund. Und auch die Ursachen für das mangelnde Sättigungsgefühl deuten meist auf gesundheitliche Probleme oder zumindest ungesunde Alltagsgewohnheiten hin. Wir erklären, wie es dazu kommt und wie Du das Sättigungsgefühl neu erlernen kannst.
Glücksgefühle nach dem Essen - so entsteht das Sättigungsgefühl
Unser Gehirn ist ein faszinierendes Wunderwerk, das selbst Wissenschaftler bis heute noch nicht vollständig enträtseln konnten. Zu den großen Unbekannten gehören dabei auch einige Funktionsmechanismen des Hypothalamus.
Schon der Name dieses Abschnitts im Zwischenhirn ist recht mysteriös und bedeutet übersetzt so viel wie "Hinterzimmer" oder "Unterkammer". Und auch die Machenschaften des Hypothalamus sind recht geheimnisvoll. So steuert er im Körper zum Beispiel:
- Blutdruck
- Essverhalten
- Schlafgewohnheiten
- Körpertemperatur
- Wasserhaushalt
- Sexualverhalten
Wobei Wissenschaftler bislang nicht immer so genau erklären können, wie der Hypothalamus das eigentlich macht. Gerade mit Blick auf die Prozesse während der Regulation der Nahrungsaufnahme tappen Ernährungsexperten nach wie vor ein bisschen im Dunkeln des gehirneigenen Hinterzimmers.
Entstehung des Sättigungsgefühls: Was bekannt ist
Was Wissenschaftler inzwischen sicher sagen können, ist, dass sowohl das Sättigungsgefühl als auch das Hungergefühl gemeinsam im Hypothalamus entstehen. Für das Hungergefühl ist dabei das Hungerzentrum im lateralen Hypothalamus (LH) zuständig.
Das Sättigungsgefühl entsteht dagegen im Sättigungszentrum des ventromedialen Hypothalamus (VMH). Interessanterweise sind Hunger- und Sättigungszentrum nie gleichzeitig aktiv. Sie lösen sich also ab, und zwar durch ein komplexes Zusammenspiel aus Signalreizen und Hormonen:
- Erste Sättigungsimpulse entstehen im Magen: Wenn Du Hunger hast und deshalb etwas isst, füllt sich zunächst einmal Dein Magen. Dadurch dehnt sich die Magenwand aus, was von mageneigenen Mechanorezeptoren an den Hypothalamus gemeldet wird. Diese Meldung stellt den ersten Sättigungsimpuls dar, verursacht aber noch kein Sättigungsgefühl.
- Weitere Sättigungsimpulse stammen aus Darm und Leber: Der Hypothalamus findet die Info zu einer ausgedehnten Magenwand allein noch nicht sonderlich überzeugend. Er will mehr Beweise dafür, dass Du wirklich satt bist. Genauer gesagt, will er wissen, ob Du mit der Nahrung auch genügend Nährstoffe zu Dir genommen hast. Diese Information erhält er von den Chemorezeptoren, die sich im Darm und in der Leber befinden. Sie analysieren den Nahrungsbrei auf seine Nährstoffzusammensetzung.
Ohne Stoffwechsel- und Glückshormone kein Sättigungsgefühl
Dein Hypothalamus ist wirklich sehr kritisch. Denn selbst die kombinierten Sättigungsimpulse von Mechano- und Chemorezeptoren können noch nicht alle seine Zweifel daran beseitigen, dass Du wirklich genug gegessen hast. Für seine finale Entscheidung vertraut er deshalb nur Deinem Hormonspiegel. Vor allem eine erhöhte Ausschüttung von Stoffwechselhormonen wie:
- Insulin (zuständig für den Zuckerstoffwechsel)
- Leptin (zuständig für den Fettstoffwechsel)
- und Cholecystokinin (zuständig für den Gallenstoffwechsel)
während der Verdauung gilt als wichtiger finaler Sättigungsimpuls. Darüber hinaus sind für die Entstehung des Sättigungsgefühls auch Glückshormone entscheidend.
Denn sobald der Hypothalamus endlich mit seiner Beurteilung zu Deiner Sättigung fertig ist, schüttet er gezielt Substanzen aus, die Deinen Appetit durch das Gefühl von Zufriedenheit zügeln sollen. Allen voran ist es das Glückshormon Serotonin, das Dich nach dem Essen zufrieden macht und so Dein Sättigungsgefühl hervorruft. Nach dem Essen satt zu sein ist also in gewisser Weise ein Glücksgefühl.
Kein Sättigungsgefühl – Ursachen für mangelnde Sättigung
Der Weg vom Hunger zur Sättigung ist wie aufgezeigt recht komplex. Kein Wunder ist es da, dass die körpereigenen Abläufe bei der Entstehung des Sättigungsgefühls durch ganz unterschiedliche Ursachen aus dem Takt geraten können. Dabei übernehmen abermals Hormone eine entscheidende Rolle.
Mangelnde Sättigung und Schlafmangel
Wie bereits erwähnt, ist der Hypothalamus neben Sättigungs- und Hungergefühl auch für Deinen Schlafrhythmus verantwortlich. Schlafmangel lässt den Gehirnabschnitt daher gerne mal verrücktspielen und das gerade mit Blick auf die Ausschüttung von Hormonen, denn:
Bei Schlafmangel schüttet Dein Körper vermehrt das Stresshormon Cortisol aus. Das Hormon ist appetitanregend und kann den Hypothalamus in seiner Beurteilung zu Deiner Sättigung stark beeinträchtigen.
Auch Dein Leptin-Spiegel gerät bei Schlafmangel aus dem Gleichgewicht. Während die Konzentration dieses den Appetit zügelnden Hormons sinkt, nimmt der Spiegel seines Gegenspielers, des appetitanregenden Hormons Ghrelin, zu.
Darüber hinaus kann ein bestehendes Schlafdefizit auch die Funktionsfähigkeit des Hypothalamus selbst beeinflussen. Denn ein müder Hypothalamus macht wie erschöpfte Menschen mehr Fehler. Funktionsstörungen im ventromedialen Hypothalamus durch Schlafmangel sind daher nicht ausgeschlossen.
Kein Sättigungsgefühl bei Übergewicht
In Sachen Leptin-Spiegel kann noch eine weitere Situation problematisch werden. Leidest Du nämlich an Übergewicht, reagiert Dein Hypothalamus irgendwann nicht mehr auf erhöhte Leptinwerte. Das Hormon wird im Körper von Fettzellen ausgeschüttet. Je mehr Fettzellen sich also im Organismus befinden, desto höher ist der Grundspiegel an Leptin.
Viel Bauchfett produziert somit ständig größere Leptinmengen. Die Hormone schwimmen dann hoch konzentriert in der Blutbahn und im Gehirn herum, als wäre es das Normalste der Welt.
Das denkt sich in Folge auch der Hypothalamus und nimmt den erhöhten Leptin-Spiegel nicht mehr als Hinweis auf eine vorliegende Sättigung wahr. Das Ergebnis: Dein Sättigungsgefühl bleibt selbst nach einer sättigenden Mahlzeit aus.
Ausbleibendes Sättigungsgefühl durch Krankheit oder Medikamente
Es gibt auch eine krankheitsbedingte Leptinresistenz. Im Zweifelsfall solltest Du eine ärztliche Diagnose durchführen lassen, um sicherzugehen. Daneben gelten auch einige Medikamente als Störenfriede für den Hirnstoffwechsel, die Hunger- und Sättigungsgefühl beeinträchtigen können. Hierzu zählen insbesondere:
- Antidepressiva
- Antidiabetika
- Antiepileptika
- Antipsychotika
- Blutdruckmittel
- Kortisonpräparate
Fehlende Sättigung durch ungesunde Essgewohnheiten
Der Verzehr kalorienreicher Nahrung und das daraus resultierende Übergewicht sind aber nicht die einzigen Ernährungsursachen, die zu einem ausbleibenden Sättigungsgefühl führen können. Auch das andere Extrem ist schädlich. Soll heißen: Extreme Diäten und Hungerkuren können den Hypothalamus ebenfalls stören und seine Einleitung des Sättigungsgefühls beeinträchtigen.
Nimm einfach mal an, Du fängst von heute auf morgen plötzlich an, täglich nur noch eine sehr kleine Mahlzeit zu Dir zu nehmen. Diese fallen bei einer radikalen Diät oft sehr nährstoffarm aus und decken kaum Deinen täglichen Nährstoffbedarf.
Dein Hypothalamus beurteilt die Mahlzeit daher schon allein mit Blick auf Nährstoffe als viel zu wenig und weigert sich, einen Sättigungszustand auszurufen. Das so entstehende anhaltende Hungergefühl macht es vielen schwer, eine Diät durchzuhalten.
Mangelndes Sättigungsgefühl ist oft Erziehungssache
Ein falsches Ernährungsverhalten, bei dem Menschen während des Essens keine Grenzen kennen, ist oft anerzogen. Das gilt vor allem für Fälle, in denen Personen nicht zwischen Hungergefühlen und emotionalen Bedürfnissen unterscheiden können. Ebenso kann ein falscher Umgang mit dem Ritual der Nahrungsaufnahme dazu führen, dass Du kein Sättigungsgefühl empfindest.
- Haben Deine Eltern Dich in der Kindheit oft mit Süßigkeiten belohnt oder getröstet? Dann siehst Du Essen vielleicht immer noch mehr als Ersatzbefriedigung denn als Nährstoffquelle.
- Hattest Du in Deiner Jugend oft keine Beschäftigung und hast dann aus Langeweile gegessen? Eine Mahlzeit könnte für Dich dann eher der Ablenkung als der Sättigung dienen.
- Musstest Du zuhause immer den Teller leer essen, egal ob Du noch Hunger hattest oder nicht? In solch einem Fall hast Du womöglich gelernt, Dein Sättigungsgefühl zu ignorieren.
- Oder hast Du es Dir im Rahmen eines hektischen Alltags vielleicht angewöhnt, Deine Nahrung hastig herunterzuschlingen? Beim Schlingen füllt sich der Magen überdurchschnittlich schnell und die wiederholte Überdehnung der Magenwände kann die Mechanorezeptoren desensibilisieren.